Wie lassen sich Klimaschutz, Versorgungssicherheit und Biodiversität vereinen? – Electrosuisse
24. Januar 2023

Wie lassen sich Klimaschutz, Versorgungssicherheit und Biodiversität vereinen?

Die Energiewende ist ein Wettlauf gegen die Zeit. Darüber waren sich alle einig am Schweizerischen Stromkongress 2023 im Berner Kursaal. Niemand stellte in Frage, dass die fossilen Energien zugunsten der Elektrizität ersetzt werden müssen.

Der zweitägige Stromkongress teilte sich in politische und inhaltliche Schwerpunkte auf. Ein Höhepunkt am Eröffnungstag war der Beitrag von Bundesrat Albert Rösti, der sich dazu bekannte, dass die Schweiz mehr selbstproduzierten Strom braucht und dieser aus Solar- und Wasserkraft entstehen sollte.  Er vertritt die Meinung, dass Solar- und Wasserkraftausbau sowie Versorgungssicherheit über dem Landschaftsschutz stehen müsse, wolle man die Wende rechtzeitig schaffen.

Wie im Einzelnen die Energiewende vollzogen werden sollte, dies war Inhalt des zweiten Tages. Verschiedene Szenarien wurden eingehend besprochen. Werner Luginbühl von Elcom führte aus, wie sich die Preisentwicklung im Energiesektor gestaltet und prognostizierte eine massive Tariferhöhung bei Haushalten und KMU. Dies sei abhängig vom weltweiten Markt für Flüssiggas. Die Versorgungssicherheit bleibe angespannt, so Luginbühl. Er plädierte für eine vollständige Marktöffnung.

Werner Luginbühl am Stromkongress 2023

Integriert oder isoliert?

In seinem Impulsreferat «Energiezukunft 2050» stellte Thomas Marti vom Verein schweizerischer Elektrizitätsunternehmen VSE eine wegweisende Studie vor, die der VSE in Zusammenarbeit mit der Empa realisiert hatte. Darin beschreibt er zwei mögliche Szenarien: Eine offensiv integrierte versus defensiv isolierte Entwicklung in der Schweiz. Offensiv integriert heisst dabei, dass man sich dem weltweiten Strommarkt anschliesst, defensiv isoliert würde einen enorm hohen Strombedarf bedeuten. Die aktuelle Zubaugeschwindigkeit der Erneuerbaren reiche nicht aus, um die Klimaziele zu erreichen, weiss Marti, denn bis zu 2050 müssen mindestens 34 TWh neue Produktion zugebaut werden. Die Schweiz müsse deshalb im Winter weiterhin Strom importieren, wobei die Wasserkraft die tragende Säule im schweizerischen Energiesystem bleibe. Alpine Photovoltaik PV und Windkraft bringen für die Stromversorgung im Winter grosse Vorteile, so Marti.

Thomas Marti am Stromkongress 2023

In der anschliessenden Podiumsdiskussion diskutierten Jan Flückiger (Konferenz Kantonaler Energiedirektoren EnDK), Jürg Grossen (Grünliberale GLP Schweiz) und Roland Leuenberger (Repower) über die Machbarkeit der Klimaziele 2050. Gebäude sollen Kraftwerke werden, indem Solaranlagen auf Dach und Fassade installiert werden. Weitere Schlagworte: Batterien, Elektroautos, Dekarbonisierung. Und nicht zu vergessen die Windenergie, die gerade in den Wintermonaten, wo die Energie knapp wird, die Lücke schliessen kann. Wichtig sei, dass man gemeinsam am Ziel arbeite und allen drei Aspekten, nämlich der Versorgungssicherheit, dem Klimaziel und der Natur gerecht werde.

Podiumsdiskussion am Stromkongress 2023

Peter Richner (Empa) erklärte in seinem Impulsreferat, dass die Schweiz zu 67% vom Ausland abhängig ist, während gleichzeitig das Pariser Abkommen verpflichtet, aus den Fossilen Energien auszusteigen. Neben der Kompensation durch neue Energien sieht er die Lösung in Effizienz und Elektrizifizierung. Die Digitalisierung biete ein enormes Potential. Intelligente Messsysteme (smart meter) können helfen, keine Energie zu vergeuden. In der Debatte um die Akzeptanz der Photovoltaik in der Bevölkerung wies Richner darauf hin, dass es heute PV in jeder Farbe gäbe und damit das Landschaftsbild nicht leiden müsse. Die Forschung sollte sich ausserdem auch vermehrt mit der Geothermie befassen, so Richner, denn 99 % der Erde sei schliesslich heisser als 1000 oC.

Peter Richner am Stromkongress 2023

Drei vielversprechende Spinoffs

Christoph Beuttler (Climeworks) stellte sein innovatives ETH-Start up vor, das mit rund 800 Millionen Umsatzvermögen eigentlich gar kein Start up mehr ist. Mittels einer technischen Einrichtung ist es den jungen Ingenieuren von Climeworks gelungen, das CO2 aus der Luft zu holen und zu neutralisieren. Dieses wird mineralisiert und in Stein umgewandelt. Das Verfahren löst grosse Resonanz aus. Bereits heute setzen viele Firmen auf das Unternehmen und investieren Gelder in das Verfahren, das grosses Potenzial hat, einen Teil des CO2 Problems zu lösen

Christoph Beuttler am Stromkongress 2023

Sebastian Cajot (Urbio) stellte ein Spinoff von der Eidgenössischen Technischen Hochschule Lausanne EPFL vor. Millionen von Gebäuden müssen auf saubere Energie umgestellt werden. Dabei ist es wichtig, keine Zeit mit ineffizienten Projekten zu verschwenden. Die vom Spinoff vorgestellte Software legt den Fokus auf die besten Projekte, um die Dekarbonisierung von Gebäuden mit KI zu beschleunigen. Drei Herausforderungen müssen dabei berücksichtigt werden:  Datenverfügbarkeit, Geoinformation und Komplexität der Energiespeicher.

Schliesslich stellte Julian Menzel (Regli Energy Systems) eine Wärmepumpe vor, die als Kältemittel Propan verwendet. Im Vergleich zu herkömmlichen Wärmepumpen benötigt diese viel weniger Strom und hat einen signifikant geringeren CO2-Ausstoss.

Lesen Sie dazu auch das Interview mit Isabelle Stadelmann, Professorin für Akzeptanzforschung an der Uni Bern.