Roboter-Hund lernt in einer Stunde das Laufen – Electrosuisse
17. August 2022

Roboter-Hund lernt in einer Stunde das Laufen

Forscher des Max-Planck-Instituts für Intelligente Systeme in Stuttgart gingen in einer Forschungsarbeit der Frage nach, wie Tiere das Laufen und aus Stolperern lernen. Dafür bauten sie einen vierbeinigen Roboter, der einem Hund ähnelt.

«Als Ingenieure beziehungsweise Robotiker suchten wir die Antwort, indem wir einen Roboter bauten, der wie ein Tier Reflexe besitzt und aus Fehlern lernt», sagt Felix Ruppert, ehemaliger Doktorand der Forschungsgruppe. «Wenn ein Tier stolpert, ist das dann ein Fehler? Bei einem Mal nicht. Wenn es aber häufig stolpert, gibt uns das ein Mass dafür, wie gut das Laufen funktioniert.»

Wenn er erstmals beginnt zu laufen, lernt Rupperts Roboter in nur einer Stunde, seine interne Mechanik so gut er kann einzusetzen. Sensorinformationen von den Füssen (die Ist-Daten) werden mit den Solldaten des Computers bzw. des virtuellen Rückenmarks abgeglichen. Der Roboter lernt zu laufen, indem er die Struktur der gesendeten Bewegungsmuster kontinuierlich an die Sensorinformationen angleicht.

Der Lernalgorithmus beeinflusst einen sogenannten Central Pattern Generator; einen zentralen Bewegungsmuster-Generator. Bei Menschen und Tieren sind diese Mustergeneratoren Netzwerke aus Nervenzellen im Rückenmark, die selbstständig und ohne Einfluss des Gehirns rhythmische Muskelkontraktionen veranlassen. Diese neuronalen Netze spielen eine wichtige Rolle bei kontinuierlichen Bewegungen wie dem Gehen, beim Blinzeln oder der Verdauung. Bei neugeborenen Tieren sieht man sehr gut, dass die CPGs noch nicht genau genug eingestellt sind. Solange das Jungtier über einen perfekt ebenen Untergrund läuft, steuern die CPGs die Bewegungssignale aus dem Rückenmark korrekt. Mit einer kleinen Unebenheit ändert sich das schnell; Reflexe schalten sich dazu und passen die Bewegungsmuster an, damit das Tier nicht hinfällt. Diese kurzzeitigen Änderungen der Bewegungssignale sind reversibel, oder «elastisch», und die Bewegungsmuster kehren nach der Störung in ihre ursprüngliche Konfiguration zurück. Wenn aber das Tier über viele Bewegungszyklen nicht aufhört zu stolpern – trotz aktiver Reflexe – dann müssen die Bewegungsmuster neu, und «plastisch», d.h. irreversibel gelernt werden.

Beim Labrador-grossen Roboter-Hund namens «Morti» ist es genauso. Er optimiert jedoch viel schneller seine Bewegungsmuster, nämlich in ca. einer Stunde. Mortis CPG wird dabei in einem kleinen und leichten Computer simuliert. Dieses virtuelle Rückenmark ist bei dem Vierfüssler dort angebracht, wo eigentlich der Kopf wäre. In der Stunde, die es braucht, damit der Roboter flüssig läuft, werden kontinuierlich die Daten der Sensoren, die an den Füssen angebracht sind, mit den CPG Signalen abgeglichen. Stolpert der Roboter, ändert der Lernalgorithmus, wie weit die Beine vor und zurück schwingen, wie schnell sie schwingen, wie lange ein Bein auf dem Boden bleibt. Die angepasste Beinbewegung beeinflusst, wie gut oder schlecht der Roboter seine Mechanik ausnutzten kann. Das CPG sendet angepasste Signale, damit der Roboter fortan möglichst wenig stolpert und damit sein Laufen optimiert. Das virtuelle Rückenmark muss dabei nicht wissen, dass der Roboter künstliche Muskeln und Sehnen besitzt. Es weiss nichts über die Physik der Maschine.

Wir wissen, dass es diese CPGs in Tieren gibt und ebenfalls ist uns bekannt, dass es Reflexe gibt. Wie aber kann beides so kombiniert werden, dass Tiere mit den Reflexen und den CPGs Bewegungen lernen können? Hier geht es um Grundlagenforschung an der Schnittstelle zwischen Robotik und Biologie. Das Robotermodell gibt daher Antworten auf Fragen, die die Biologie allein nicht beantworten kann.