Am 23. März 2022 fanden die NetzImpuls 2022 und das beliebte Networking Dinner am Vorabend endlich wieder im gewohnten Rahmen statt.
Wie gewohnt führten Lukas Küng, Primeo Energie, und Christoph Imboden, HSLU, durch das hochkarätige Programm.
Christian Winzer, seit 2018 Dozent für Wirtschaft an der FHNW, kennt sich bestens aus mit dem Marktdesign für Strommärkte. Er stellte seine Resultate aus einer Simulation von Tarifmodellen für 300 Haushalte vor. Untersucht wurden verschiedene Lastkurven und Tarifszenarien mit dem Ziel, auf Effizienz, Effektivität, Profitabilität und Equalität zu achten. Letzteres bedeutet, dass alle Einkommensklassen oder Verbrauchergruppen profitieren können sollen. Je nach Tarifgestaltung wurden für tariflich inzentivierte Lastverschiebungen unerwünschte neue Lastspitzen erzeugt oder eben die erwünschte Glättung. Die Tarife müssen also proportional zur Netzlast gestaltet werden, um Rebound Effekte zu vermeiden. Daraus entstand eine interessante Diskussion zum eher trägen thermischen Lastverhalten von Kabelleitungen, welche in einigen Netzteilen vielleicht eher grosszügig dimensioniert sind und stärker ausgelastet werden könnten. Dabei ist aber auch zu beachten, dass genau diese Kabel bei Leitungsausfällen Redundanzkapazität übernehmen können müssen, ohne die thermischen Limiten zu überschreiten. Ein Dialog zwischen Netztechnologie und Marktmodellen bleibt also weiterhin sehr zentral, um Potentiale gekonnt auszureizen.
Stefan Schori von der BFH tauchte anschliessend in die Möglichkeit der Spannungs- und Blindleistungsregelung ein und zeigte diese an einem Quartier-Beispiel, wo Anschlusspannungen reduziert werden können, aber gleichzeitig die Stromlast und damit auch die Verluste ansteigen. Auch hier muss der Spielraum optimal innerhalb sinnvoller Grenzen ausgereizt werden, um dem Ausbaubedarf von Infrastruktur entgegenzuwirken, wenn neue Quellen und Verbraucher angeschlossen werden und so das Lastbild verändern.
Turhan Demiray von der ETH Zürich schliesslich zeigte uns umfassende Systemmodellierungen für digitalisierte und mit Flexibilität in der Dynamik kontrollierte Netze für die Energieversorgung 2050. Durch die Nutzung von Flexibilität auch im Verteilnetz können nicht nur dessen eigene Engpässe gelöst werden, es gibt auch positive Effekte zurück in das speisende Übertragungsnetz. Wenn sich also Verteil- und Übertragungsnetzbetreiber optimal abstimmen, braucht es insgesamt zum Vorteil beider weniger Redispatch. Wenn man diese qualitativen Effekte verstanden hat, wird auch schnell klar, warum unser nationaler Übertragungsnetzbetreiber Swissgrid stetig den Kontakt zu den Verteilnetzbetreibern sucht und die Zusammenarbeit über digitale Interfaces intensivieren will: Verteilnetze können dem Übertragungsnetz wichtige Flexibilität bereitstellen. Diese zu kennen und zu nutzen lohnt sich für beide Partner.
Die drei Beispiele zeigen, warum der Dialog zwischen Netztechnologie und Energiehandel so wichtig ist: Die zunehmende Lastdynamik kann nur über eine moderne digitalisierte Kopplung der beiden wellten optimal abgefedert und tariflich zielführend inzentiviert werden. Dazu müssen sich die beiden Welten gegenseitig verstehen und sich ihre Spielräume zur Verfügung stellen können. Zunächst konzeptionell und dann auch digital realtime im Alltag der Lastkurven. Die NetzImpuls hat sich diesem dualen Dialog verschrieben und wird am 22. März 2023 erneut Erkenntnisse und Trends für und zwischen den Netz- und Energie-Experten aufzeigen.
Ab 8. April, dem Erscheinungsdatum des Fachmagazins Bulletin für unsere Mitglieder, finden Sie in der Rückschau auch Einblicke zum technischen Teil der Fachtagung 2022.