Energietechnik in Graz: Speicher und Mobilität – Electrosuisse
27. Oktober 2022

Energietechnik in Graz: Speicher und Mobilität

Die Sorge um eine mögliche Strom-Mangellage im kommenden Winter ist in Europa allgegenwärtig. Aber deswegen den Kopf in den Sand stecken ist spürbar nicht im Trend: Auch in unserem östlichen Nachbarland wird für verschiedene mögliche Szenarien fleissig gerechnet und quantifiziert. Ab und zu erhält die Schweiz dabei einen anerkennenden Seitenblick auf unsere OSTRAL, die vom Bund orchestrierte Organisation für Stromversorgung in Ausserordentlichen Lagen. Beim östlichen Nachbarn sind dafür vorerst noch die einzelnen Bundesländer zuständig.

OVE Präsident Kari KAPSCH und OVE Vorstandsvorsitzender Energietechnik Heinrich POPELKA begrüssen die rund 200 Teilnehmenden an der Energietechnik-Tagung 2022 in der Seifenfabrik Graz.

Im Grundsatz ist die Ausgangslage bei unserem Nachbarland vergleichbar zur Schweiz: Es braucht den geschickten Einsatz verschiedener Technologien sowie dafür förderliche Rahmenbedingungen, um die gesetzten Klima- und Energieziele gerade auch in der angespannten Situation der aktuellen Energiekrise zu erreichen. Dabei spielen nebst nachhaltiger Erzeugung und intelligenter Verbrauchssteuerung die Speichertechnologien zunehmend eine Schlüsselrolle. Also wurde in Szenarien eifrig gerechnet entlang der Potentiale ausgebauter Pumpspeicher wie auch den Chancen durch zunehmende Elektromobilität, und selbst ein Seitenblick auf einen Eisspeicher durfte nicht fehlen.

Auch die Netze müssen der zunehmenden Dynamik durch Erneuerbare folgen können. Daher rechnen die Energieversorger Östereichs jetzt mit verdreifachten Investitionen für die Verteilnetze auf jährlich 1.5 Milliarden Euro für den Umbau in regional neu zu konzipierende Netze der Zukunft. Reguläre Netzkunden werden zu aktiven Netzkunden, Elektroautos zu verteilten Speicherschwärmen, es braucht offene und genormte Schnittstellen, um dieses System ganzheitlich zu beherrschen – für eine unabhängigere und klimafreundliche Energieversorgung.

Ein starkes Votum kam aus der Ecke der Photovoltaik (PV), die offenbar auch im Nachbarland lange Zeit unterschätzt wurde. Jetzt wächst sie weit über die Erwartungen hinaus, wohl im Bewusstsein, dass sich der Stromverbrauch des Landes bis 2040 verdoppeln wird, weil er auch fossile Träger im grossen Stil ersetzen muss. Das bedeutet, dass die 2020 installierte PV Basis von 2 GW jährlich um +1.7GW ausgebaut werden muss. Windkraftwerke steuerten Ende 2021 mit 1’305 Kraftwerken rund 3.3 GW bzw. 7.6 TWh/Jahr bei, was zu diesem Zeitpunkt 11% des nationalen Stromverbrauchs entspricht. Nicht zu vergessen die Wiener Netze, welche auf der Gegenseite die Dimensionen eines unumkehrbaren Ausstiegs aus dem Gas quantifizierten – es wurde klar, dass derartig umfassende Umbauvorhaben einen übergeordnet orchestrierten Masterplan brauchen werden.

Fünf Keynote Vorträge mündeten in eine spannende Diskussion im Panel: Vera IMMITZER (Photovoltaic Austria, oben links),Gerhard FIDA (Wiener Netze GmbH, oben rechts), Martin GRAF (Energie Steiermark, unten links), Stefan MOIDL (IG Windkraft, unten mitte), Alfons HABER (E-Control, unten rechts)

Nach der Auslegeordnung mit fünf Keynote Vorträgen folgte eine Vertiefung über zahlreiche Vorträge: TIWAG zeigte ihre Pläne zum Ausbau der Wasserkraft-Speicher, die TU Graz führte mit Szenarien durch den Winter und veranschaulichte mit Giesskannen den Effekt einer Dunkelflaute, Andritz erhöhte die Lebensdauer von Wasserkraftwerken durch gezielte Minderung der Dynamik auf den mechanischen Teil mittels Batteriespeicher, die TU Wien befasste sich mit Sektorkopplungen, und ein Tutorial der TU Graz führte uns die Chancen von Mathematischen Modellen zu unseren Energiesystemen vor Augen: Vor dem Handeln Denken (und simulieren) war hier die Devise.

Die Technische Universität Graz (im Bild Karina LEMAHL mit der Giesskanne für die Laufwasserkraftskapazität) demonstrierte eindrücklich die quantifizierten Reserven während einer Dunkelflaute im Winterhalbjahr.

Den zweiten Tag eröffneten die vier Nachwuchspreis-TrägerInnen, gefolgt von einer Vertiefung zu Ladeinfrastrukturen, Systemstrategien und der Optimierung von Industriebetrieben bis hin zu einem Stahlwerk.

Ihnen wurde der OVE Energietechnikpreis 2022 verliehen (von oben links nach unten rechts): Sebastián GÓMEZ TREVINO (Electric Vehicle Fuses: DC High Current Circuit for Low Voltage DC Fuse Testing), Doris JURI (Eisspeicher), Carina LEMAHL (Validierung der Stabilität von PV-Integrationen in Mittelspannungsnetze), Christian ALÁCS (Schnelle Regelleistungen im kontinentaleuropäischen Verbundnetz)

Die nächste OVE Energietechnik-Tagung findet am 18./19. Oktober 2023 in Klagenfurt statt.