Die Miniaturisierung des Lötens – Electrosuisse
16. Februar 2023

Die Miniaturisierung des Lötens

Elektronische Komponenten werden immer kleiner, komplexer und leistungsfähiger – das verlangt nach neuen Lösungen zum Fügen der Bauteile. Ein Empa-Team forscht an nanostrukturierten Fügewerkstoffen für die nächste Generation Mikroelektronik und weitere anspruchsvolle Anwendungen.

Im April 1965 prophezeite Gordon Moore, der US-Ingenieur und spätere Mitgründer von Intel, dass sich die Zahl der Transistoren auf einem Chip etwa alle zwei Jahre verdoppeln wird. Doch die Verdoppelung der Anzahl Schaltkreise alle zwei bis drei Jahre kratzt bisweilen an den Grenzen des technisch Möglichen. Dies gilt auch für die Fügetechnologie, die mit den gesteigerten Anforderungen mithalten muss. Denn die immer kleineren und leistungsfähigeren elektronischen Komponenten müssen nach wie vor in grössere Systeme integriert werden, ohne dass die Fügeverbindungen zu Kühlkörpern oder Platinen bei Temperaturwechseln oder Erschütterungen auseinanderfallen oder im Betrieb überhitzen. Ein Team aus der Empa-Abteilung «Fügetechnologie und Korrosion» widmet sich dieser Aufgabe.

Industrie in Nöten

Eine Fügeverbindung für ein neues elektronisches Hochleistungsbauteil muss zum Beispiel bei möglichst niedriger und schonender Temperatur angefertigt werden – und soll trotzdem beim Betrieb des Bauteils möglichst hohe Temperaturen überstehen und die Abwärme der Bauteile effizient ableiten. Nur so gelingt Miniaturisierung gepaart mit Leistungssteigerung, ohne zugleich den Aufwand für die Kühlung ins Uferlose wachsen zu lassen. Auch andere Zukunftstechnologien wie Photonik, Sensorik, Raumfahrt, Batterien oder Turbinenbau sind auf innovative Fügekonzepte angewiesen.

Neue Werkstoffe und Verfahren sind daher gesucht, um die zunehmend komplexen Ansprüche an das Fügen zu erfüllen. Das Fügen mit Nanowerkstoffen, das sogenannte Nanojoining bietet ein grosses Potential. Schon jetzt nutzt die Industrie Silber-Nanopasten, also Fügewerkstoffe, die aus Silber-Nanopartikeln bestehen. Der Vorteil: Liegt der Schmelzpunkt für reines Silber bei 962 °C, so lassen sich mit Hilfe der Silber-Nanopasten bereits bei unter 250 °C elektrisch und thermisch sehr gut leitende Fügeverbindungen herstellen. Und noch besser: Einmal hergestellt halten diese Verbindungen sogar eine Betriebstemperatur oberhalb ihrer Herstellungstemperatur aus.

Nanoeffekte nutzen

Dabei wird ein klassischer Lötprozess durch einen Sinterprozess ersetzt. Das heisst, die Partikel in der Fügezone werden nicht aufgeschmolzen, sondern wachsen durch Diffusion zu grösseren Partikeln und Körnern zusammen, um dadurch ihre Oberflächenenergie zu verringern. Die Diffusion, also die Bewegung der einzelnen Atome, läuft an Oberflächen und Grenzflächen besonders schnell ab. Da die Nanopartikel im Verhältnis zu ihrem Volumen eine sehr grosse Oberfläche aufweisen, ist das Sintern auf der Nanoskala besonders ausgeprägt und kann schon bei vergleichsweise tiefen Temperaturen ausgenutzt werden. Bei sehr kleinen Nanopartikeln oder dünnen Nanoschichten wird der Anteil der leicht beweglichen, «flüssigen» Oberflächenatome sogar so gross, dass der Schmelzpunkt um einige 100 °C unter dem Schmelzpunkt des massiven Materials sinkt. Die Forschenden nennen diesen Effekt MPD («Melting Point Depression») – und nutzen ihn, um damit effiziente Fügeprozesse zu entwickeln.

Das Rennen geht weiter

Die Forschenden arbeiten an Nanopasten mit mehreren Komponenten, um die Eigenschaften der Fügeverbindung zu optimieren und um neue Anwendungsgebiete zu erschliessen und untersuchen Kombinationen mit Kupfer und Nickel. Diese Metalle sind preisgünstiger als Silber und zeigen interessante elektrische und thermische Eigenschaften – doch weil es unedlere Metalle sind, oxidieren sie wesentlich leichter. Das gilt es im Fügeprozess zu verhindern. Dazu werden die Nanopartikel in eine Paste aus organischen Hilfsstoffen gesteckt, die beim Fügeprozess verdampfen und das Oxid an der Partikeloberfläche reduzieren. Oder die Partikel werden mit einem schützenden Coating überzogen.

Ein Ofen auf der Nanoskala

Für besonders temperaturempfindliche Komponenten halten die Forschenden seit einigen Jahren eine weitere Nanojoining-Methode bereit, die sie beständig weiterentwickeln: das sogenannte reaktive Fügen. Dabei ersetzen reaktive Folien den Lötofen als lokale Wärmequelle. Diese bestehen aus einer Vielzahl einzelner Nanoschichten, etwa aus Nickel und Aluminium. Werden diese Nano-Multischichten gezündet, reagieren Nickel und Aluminium und bilden eine neue, chemische Verbindung – dabei wird sehr viel Wärme frei, die den Prozess vorantreibt und mit einer Geschwindigkeit von bis zu 50 m/s über die ganze Fläche laufen lässt. Erst die Schichtdicken im Nanobereich ermöglichen hier eine schnelle Reaktion. Lokal werden dabei bis zu 1000 °C erreicht, doch wegen der geringen Dicke der reaktiven Folie bleibt die gesamte erzeugte Wärmemenge klein und auf die angrenzenden Lotschichten beschränkt. So lassen sich auch empfindliche Elektronikelemente schonend und formschlüssig auf Kühlkörper aus Kupfer aufbringen.