Chemielabor auf einem Chip analysiert Flüssigkeiten in Echtzeit – Electrosuisse
12. September 2022

Chemielabor auf einem Chip analysiert Flüssigkeiten in Echtzeit

Ein nur fingernagelgrosser Chip ersetzt sperriges Labor-Equipment. In der chemischen Technologie ist es oft wichtig, exakt zu messen, wie sich die Konzentration bestimmter Substanzen verändert. Gerade in der Pharmaindustrie müssen solche Messungen extrem präzise und zuverlässig sein.

An der TU Wien wurde ein neuartiger Sensor entwickelt, der sich für solche Analysen hervorragend eignet und mehrere bisher unerreichte Vorteile miteinander verbindet: Durch massgeschneiderte Infrarot-Technologie ist er deutlich sensitiver als andere Standard-Messgeräte, er ist für einen grossen Bereich unterschiedlicher Molekül-Konzentrationen einsetzbar und er kann direkt in der Flüssigkeit operieren und liefert damit Daten in Echtzeit, innerhalb von Sekundenbruchteilen.

Um die Konzentration von Molekülen zu messen, wird Strahlung im mittleren Infrarotbereich verwendet. Das ist eine bewährte Technik: Viele Moleküle absorbieren ganz bestimmte Wellenlängen im Infrarotbereich, andere Wellenlängen lassen sie durch. So haben verschiedene Moleküle ihren ganz spezifischen Infrarot-Fingerabdruck. Wenn man misst, welche Wellenlängen wie stark absorbiert werden, kann man daher feststellen, wie hoch die Konzentration eines bestimmten Moleküls in der Probe gerade ist.

Besonders in gasförmigen Proben verwendet man Infrarot-Spektroskopie schon lange. Neu ist allerdings, dass es nun gelungen ist, diese Technologie sehr kompakt auf einem etwa fingernagelgrossen Chip unterzubringen, der speziell für Flüssigkeiten geeignet ist. Das ist nicht nur eine technologische, sondern auch eine analytische Herausforderung, weil Flüssigkeiten die Infrarotstrahlung viel stärker absorbieren.

Wenige Mikroliter Flüssigkeit reichen für eine Messung aus. Der Sensor liefert Daten in Echtzeit – viele Male pro Sekunde. Man muss also nicht wie bei anderen Technologien eine Probe entnehmen, sie analysieren und dann vielleicht minutenlang auf ein Ergebnis warten. Man sieht exakt, wie sich die Konzentration verändert und in welchem Stadium sich der untersuchte Prozess gerade befindet.

Die winzig kleinen halbleiterbasierten Bauteile werden durch ihre Mikro- und Nanostruktur dazu gebracht, Infrarotstrahlung mit einer präzisen definierten Wellenlänge auszusenden oder zu detektieren. Die von einem solchen Laser emittierte Infrarotstrahlung durchdringt die Flüssigkeit auf einer Strecke in der Grössenordnung von Mikrometern und wird dann vom Detektor auf demselben Chip gemessen. Aus diesen ultrakompakten Lasern und Detektoren wurde nun ein Messgerät konstruiert, das sich in ersten Praxistests bewährt hat.

Die Technologie ist extrem flexibel. Ganz nach Bedarf kann man die notwendigen Wellenlängen anpassen, man könnte auf dem Chip auch eine deutlich grössere Zahl unterschiedlicher Quantenkaskaden-Sensoren unterbringen und somit die Konzentration unterschiedlicher Moleküle gleichzeitig messen. Die Anwendungsmöglichkeiten sind vielfältig – sie reichen von der Beobachtung thermischer Protein-Strukturänderungen, über ähnliche strukturändernde Prozesse in anderen Molekülen bis hin zur Echtzeit-Analyse chemischer Reaktionen, etwa in der pharmazeutischen Medikamentenherstellung oder in industriellen Fertigungsprozessen. Überall dort, wo man die Dynamik chemischer Reaktionen in Flüssigkeiten beobachten muss, kann die neue Technik wichtige Vorteile bringen.